Europa im Kleinen wird 20
Ein Beitrag von Jupp Schlupp im Grenzecho vom 7.9.2022
Kultur:
KuKuk begeht sein Jubiläum mit einem viertägigen Fest
Unter diesem Titel schilderte das Grenzecho in seiner Ausgabe vom 7. September 2022 in einem wunderschönen Beitrag von Jupp Schlupp, den er im Gespräch mit der im belgischen Verein tätigen Animatorin Alice Loo zusammengestellt hatte. Der Beitrag in der Tageszeitung liegt ein tolles Zeugnis ab für die lange Geschichte dieses deutsch-belgischen Vereins, der 43 Events in diesen Jahren organisiert hatte.
Wir geben den Beitrag hier fast ungekürzt wieder und lassen die Aussagen und Schilderungen des Reporters und der Animatorin für sich sprechen. An der Grenze von Hauset wurde zu Beginn dieses Jahrtausends ein "Europa im Kleinen" geschaffen das auf diesem Kontinent so wohl einmalig ist.
Von Donnerstag 1.9. bis Sonntag 4.9. hat der KuKuk sein „Europa im Kleinen“ gefeiert. Vor 20 Jahren war die Initialzündung für ein in Europa einzigartiges Kunst- und Kulturprojekt mitten
auf der Grenze.
Der belgische Zoll hatte es offenbar gerne warm. „Zwanzig Heizkörper haben wir aus dem kleinen belgischen Zollhäuschen herausgerissen“, erzählt Alice Loo, die den KuKuk an der Grenze mit initiiert hat und bis heute an vorderster Front begleitet und mitleitet.
Gäbe es den KuKuk nicht, müsste man ihn erfinden. Dieser Ort, wo noch vor 30 Jahren Autoschlangen auf die Abfertigung gewartet hatte, ist einmalig in Europa. Über eine Staatsgrenze hinweg haben Kunstenthusiasten einen Ort geschaffen, an dem Theater, Film, Waldpädagogik, Musik, Literatur, Gemälde, Kunstpädagogik, Skulpturen, Geschichte, Geschichten und Kreativität ihren Platz gefunden haben.
Angefangen hat alles mit einer Diplomarbeit. Die damalige Studentin Elke Kohlrautz hat im Jahr 2000 Kunstaktionen im belgischen Zollkiosk veranstaltet, der abgerissen werden sollte. Davon war die Anwohnerin Hilke Buck angetan, die Kohlrautz dann mit Alice Loo, damals Mitarbeiterin bei Chudoscnik Sunergia zusammengebracht hat. Denen gelang es dann, Bürgermeister Hans-Dieter Laschet zu überzeugen, den Zollkiosk zu erwerben und der Kunst zur Verfügung zu stellen. Damals stand der Kiosk noch in der Mitte der Straße. Wenn etwas stattfand, musste man eine Straßenhälfte sperren. „Wir mussten jedes Mal beim föderalen Verkehrsministerium eine Genehmigung einholen“, erzählt Alice Loo. Inzwischen ist die Straßenführung verlegt, und jeder kann sich die Installationen im kleinen Zollkiosk, der auch eine Zeit lang als Kunstcafé gedient hat, ohne Gefahr jederzeit anschauen.
Am Sonntag 4.9. sitzt die „Gruppe von Spinnern“, als die sie vor 20 Jahren mancher skeptisch betrachtet hat, mit Nachbarn und Freunden an einer langen Tafel und genießt lätterteigpasteten, gefüllte Brote und andere Leckereien. Mit am Tisch sitzt auch Walter Moede. Den Hobbykünstler und engagierten KuKuk-Mitarbeiter hat die Grenzgeschichte und die Aachener Kaffeefront nicht mehr losgelassen. Er hatte vor elf Jahren die Idee mit der Rabazzerfigur, die er gemeinsam mit Sebastian Schmidt in Beton gestaltet hat. Mit braunem Gold im Sack schaut sich der chmuggler bis heute vorsichtig um, auf dass ihm nur ja kein Zöllner mit dem „Besenporsche“ verfolgt. Zum Jubiläum hat Moede selbstverständlich im gut besuchten Saal im deutschen Zollhaus die „sündige Grenze“, den Kultfilm von 1951 mit Conny Froboess und Horst Buchholz gezeigt. Am Set habe die damals achtjährige Conny auch mit den anderen Kindern ihr Lied von der Badehose gesungen, habe der Statist und echte Rabazzer Arthur Kaiser erzählt, den Walter Moede als Zeitzeugen gewinnen konnte. Ebenfalls am Tisch hat sich Elsa Treppo niedergelassen. Sie hat am Freitag mit den 20-jährigen ostbelgischen Künstlern wie den Musikern Clara Klinkenberg und Gregory Pankert, der Slammerin Camille Godesar, der Illustratorin Awa Kempen und den Tänzern Nada Faehed und Nino Bolle (Bewegung und Tanz) am Freitag eine gemeinsame Performance initiiert. Ebenfalls am Tisch sitzt Vera Sous, die am Samstag mit Familien losgezogen ist, um sie in die Landschaftsmalerei einzuführen. KuKuk heißt nämlich nicht nur passiv konsumieren, sondern aktiv mittun. Und das geht sowohl als Workshopteilnehmer als auch als Ehrenamtlicher. Denn KuKuk basiert auf den rund 25 Ehrenamtlern. Lediglich Bernd Kretschmann sitzt hauptberuflich im Büro, und Michael Trödtmann ist der Hausmeister. „Wir brauchen dringend Leute, die sich mit uns engagieren möchte“, sagt auch Alice Loo.
Während an der Tafel noch Menschen sitzen, die die flotten Dixielandklänge der Old Abbys genießen, ist auch schon im Café Betrieb. Dort ist Ulla Arslan die Chefin und serviert unter anderem leckeren Kuchen aus Hombourg. Denn der KuKuk ist nicht nur Kulturzentrum, das Café hat sich mit seiner besonderen Atmosphäre auch zum beliebten Ausflugsort auch für Wanderer gemausert. Schließlich bietet der Wald um Köpfchen einiges wie die verwachsenen ehemaligen Heckenbuchen der Befestigung des Aachener Reiches, die Zyklopensteine und den Westwall. Denn Grenze war dieser Ort mit Ausnahme von 1815 bis 1919 schon immer, auch wenn die Länder immer andere Namen trugen. Die verwunschene Gegend ist regelmäßig Ort der Grenzkunstroute, wo sich Künstler vor Ort von den seltsamen Naturformationen inspirieren lassen. Inzwischen ist der Waldpädagoge Michael Zobel mit ein paar Familien und jeder Menge Schätze wie Beeren und Farnen aus dem Wald gekommen. KuKuk heißt eben Natur und Kultur. Mit dabei ist Merle (6), die fleißig die Pflanzen ordnet und mit den anderen zu einem Geburtstagsmandala zusammenlegt.
Das deutsche Zollhaus gehört seit 2009 zu KuKuk, der seit 2006 in zwei Vereinen, einer VOG und einem e.V. organisiert ist und so in beiden Ländern agieren kann. „Wir haben damals riesiges Glück gehabt“, sagt Alice Loo. Denn im Haus war ein enger Flur,von dem die Zollbüros abgingen. Noch bevor der deutsche Denkmalschutz seine Finger draufhaben konnte, ist es KuKuk gelungen, aus der Empfangshalle das Café zu zaubern und den rückwärtigen Bereich zu entkernen, sodass jetzt große Ausstellungsräume für Kultur da sind.
Am belgischen Zollhaus ist jetzt Elke Kohlrautz mit Familien unterwegs, die die Strukturen von grenzrelevanten Gegenständen, etwa Hydranten auf Tücher übertragen, die dann zu einem Bild
zusammengenäht werden. „Cool ne?“ fragt Mio (6) aus Eynatten und zeigt stolz seinen Abdruck. Frottagen mit Geschichte nennt sich die Aktion. Langsam nähern sich die vier Jubiläumstage am KuKuK
ihrem Ende. Bürgermeister Jérôme Franssen schaut noch vorbei und sich die große Fotowand an, die man von der Straße aus beobachten kann und die von den vielen Lesungen, Konzerten,
Kunstausstellungen und manchen Schwierigkeiten erzählt, die in diesem „Europa im Kleinen“ passiert sind.
CHRONIK
● 2000: Die Initialzündung geht von einer Drei-TagesAktion im Rahmen der Diplomarbeit von Elke Kohlrautz aus, die zu dem Zeitpunkt Designstudentin an der FH Aachen war.
● 2000/2002: Elke Kohlrautz und Alice Loo (Mitglied des Kulturvereins Chudoscnik Sunergia) initiieren mit einigen Engagierten das Pilotprojekt „KuKuK“ im ehemaligen belgischen Zollhäuschen.
● 2002: Die Gemeinde Raeren übernimmt das Zollhaus vom belgischen Staat. KuKuK wird flügge und aus dem Pilotprojekt wird der Raerener Verein KuKuK VoG
● 2006: Gründung des deutschen Vereins KuKuK eV mit gleichen Zielsetzungen und Mitgliedern, wie der bestehende belgische Verein.
● 2008/2009: Erwerb und Umbau des ehemaligen deutschen Zollhauses.
● 2009: Eröffnung des Kunstund Kulturzentrums KuKuK am Grenzübergang Köpfchen sowie der KuKuK CaféBar.
● 2009/2012: KuKuK VoG und KuKuK e.V. erhalten zur Bespielung und Bele bung des Grenzübergangs Köpfchen europäische Fördergelder (Interreg). Vier Hauptberufler arbeiten in diesen Jahren mit dem
ehrenamtlichen KuKuK Team zusammen. Die jährliche Anzahl der Veranstaltungen steigt stetig.
● 2014/2015: KuKuK e.V. meistert eine finanzielle Krise. Der Cafébetrieb geht an eine Pächterin. ● 2020/2021: Die Waldbühne wird errichtet.
● 2022: Bisher haben 43 Events und Aktionen stattgefunden